ADVANCE: Auf dieses Projekt hast du dich körperlich und mental intensiv vorbereitet. Wie lange insgesamt?
Der Trainingsplan lief über ein halbes Jahr. Die mentale Geschichte läuft schon ewig. Für mein Sponsoring-Dossier habe ich den gesamten Aufwand grob geschätzt. Er lag bei etwa tausend Stunden in einem halben Jahr. Das hat alles umfasst: von der Routenplanung, über das körperliche und mentale Training, die Ausrüstung zusammen stellen, testen, für fünf Alpenländer Online-Wanderkarten besorgen, Lufträume abzuchecken, Wetterstationen ausfindig zu machen, hochaufgelöste Wettermodelle vergleichen und noch viel mehr.
ADVANCE: Hat Dir Deine akribische Vorbereitung während der Tour gut geholfen?
Ja. Ganz klar! Mit dem Körper war ich sehr zufrieden. Ich wusste natürlich sehr genau, wie lang die Etappen sein dürfen, damit ich in einer Nacht regeneriere. Das sind Erfahrungswerte von 2015 als ich noch weniger trainiert war. Damals waren 50 km und 2.000 Hm zu viel. Ich habe solche Etappen zwar geschafft, konnte mich aber über Nacht nicht regenerieren. Dann ist die nächsten zwei Tage nicht mehr viel gelaufen ... Von daher wusste ich, 35 Kilometer und 2.000 Höhenmeter gehen als Tagesetappe, drüber solle ich nicht gehen.
ADVANCE: Was hat Dir unterwegs am meisten zu schaffen gemacht? Hattest Du mal einen Tiefpunkt?
Ich hatte viele Tiefpunkte und Höhepunkte. Am meisten hat mich fertig gemacht, als ich wiederholt ständig abgesoffen bin. Oder mir die Luft zu turbulent war, ich nicht lange genug gekämpft habe, sondern weggeflogen bin in der Hoffnung, es würde eine bessere Thermik kommen. Aber es kam nichts mehr.
ADVANCE: Wie hast Du Dich dann motiviert?
Nach kurzem Nachdenken ... Jeder Tag ist einfach wieder ein neuer Tag. Du musst das ganze Fliegen dann mal loslassen, den Schirm einpacken und Dich auf eine kleine Miniaufgabe fokussieren. Das hatte mich auch die Mentaltrainerin Katrin Ganter gelehrt und andere Leute, mit denen ich im Austausch war. Bei mir hilft immer etwas Entspannendes. Zum Beispiel Baden in einem See, Duschen, Essen und Trinken. Vielleicht auch mal ein weiches Hotelbett. Das hilft immens. Und dann geht es am nächsten Tag wieder frisch los. Die Tiefs sind immer nur kurz, wenn man sich nicht daran festklammert.
ADVANCE: Was waren Deine schönsten Erlebnisse?
Der Wechsel des Geländes. Zum Beispiel als ich in Südfrankreich vom Startplatz Arpille nahe des Col de Bleine aufdrehen konnte. Da siehst Du auf der einen Seite das Meer. Unter Dir die braun-trockene Landschaft – und dann kommen schon die ersten Bergketten. Als ich am dritten Tag den Sprung in die Voralpen schaffte, hatte ich den ganzen Wechsel des Geländes in kürzester Zeit erlebt und war auf einmal in den Alpen. Das war sehr schön.
Fasziniert von den Alpenüberquerungen von Dave Turner und Sebastian Huber hatte sich Bänz schon im Sommer 2015 frei genommen: einmal, um von Interlaken bis nach Monaco zu fliegen und zu wandern, das andere Mal, um auf dieselbe Weise von Interlaken bis nach Lienz/Matrei zu gelangen. Es gefiel ihm schliesslich so gut, dass er sich gleich den gesamten Juli 2017 für etwas Vergleichbares reserviert hat. Von da an konkretisierte sich das Projekt laufend. „Es war einfach ein Traum, ein starker Wunsch, das mal über so eine lange Zeit zu machen. Erst dann kannst Du richtig eintauchen in die Geschichte.“
ADVANCE: War das später auch noch mal der Fall?
Ja, na klar. Wenn Du nicht so grosse Sprünge machen kannst, weil der Flugtag nicht viel hergibt, hast Du manchmal das Gefühl, irgendwie stecke ich ewig im Wallis oder zum Beispiel im Pustertal fest. Aber nach drei Tagen bist Du schon wieder in einem ganz anderen Gelände. Dann habe ich gemerkt: Du kommst voran, das passt. Schöne Momente waren auch all die Begegnungen mit anderen Menschen und der Austausch mit Freunden in der Heimat. Ich bin es ja bewusst alleine angegangen, da bist du auch entsprechend offen. Je mehr ich mental angeschlagen war, weil das Fliegen nicht geklappt hat, desto bessere Begegnungen hatte ich mit Leuten.
Ich habe wirklich gemerkt, wie kostbar der Austausch mit anderen ist. Wenn es lange Zeit nicht läuft und du dich nicht austauschen kannst, kannst du dich auch verbohren.
OMEGA XALPS 2 23 (3.500 g)
LIGHTNESS X-Alps 2017 ohne Protektor (1.000 g)
Notschirm, Rucksack, Softlinks statt Karabiner, Hook Knife (1.717 g)
Helm (256 g)
Spot3-Messenger, IPhone, Skytraxx, Ladekabel, Solar-Panel + Akku (1.033 g)
Trekkingstöcke (288 g)
Zelt inkl. Zeltboden, der als Regenponcho verwendet werden kann (544 g)
Sommer-Schlafsack bis 5° C (660 g)
Isomatte Therm-a-Rest Neo Air X-Lite, short 110 cm (230 g)
Kocher, Campinggas, Wasserfilter, Wasserflasche (950 g)
Geschirr, Stirnlampe (195 g)
Flug- und Wechselbekleidung inkl. Daunenjacke und Handschuhe (1.400 g)
Erste Hilfe Set, Sonnencreme, Handtuch, Ausweise etc. (400 g)
ADVANCE: Würdest Du das Ganze noch mal machen?
Ja klar! Nicht mehr dieses Jahr, ich denke auch nicht nächstes. Aber diese Form des Gleitschirmpilgerns ist schon eine tiefe Erfahrung.
ADVANCE: Welche Tipps würdest Du ganz spontan anderen Piloten geben, die etwas Ähnliches machen möchten?
Ein kleiner Testlauf zuerst. Und dann habe ich die Regeln „Vom Bekannten zum Unbekannten“, „vom Einfachen zum Schwierigen“. Das Projekt dem Flugkönnen und der körperlichen Fitness anpassen. Ich habe zum Beispiel bewusst die Alpen gewählt. Einfach weil es von der Erschliessung und damit unter anderem den Nahrungsquellen her, aber auch von den Rettungsmöglichkeiten und Abbruchmöglichkeiten „Puppenstube“ ist. Meteorologisch ist es dennoch genauso anspruchsvoll wie an anderen Orten.
ADVANCE: Wir freuen uns, dass du gesund wieder da bist und wünschen dir jetzt erstmal gute Regeneration! Danke für dieses interessante Gespräch, Bänz.
Neben seiner Tätigkeit als Grafiker für ADVANCE ist Bänz auch Fluglehrer. Sein umfassendes Wissen zur Meteorologie, Tourenplanung und zum Hike und Fly gibt er in „Hike & Fly Know-How“-Kursen bei der Flugschule Chillout in Interlaken weiter.