ADVANCE: Erst einmal ganz herzlichen Glückwunsch zu deiner gelungen Direttissima, Thomas!
Merci!
ADVANCE: Normalerweise führen dich deine Expeditionen in die entlegensten Regionen der Erde. Was war für dich die grösste Herausforderung auf deiner Route durch die so gut erschlossene Schweiz? War es psychisch und physisch ähnlich anspruchsvoll wie deine anderen Expeditionen?
Nein (Thomas lacht). Ich würde es schon eher unter Luxusausführung einordnen, weil mich meine Frau ja mit dem Bus begleitet hat. Vielfach kam ich abends nach zehn bis zwölf Stunden Marschieren an irgend eine Bergstrasse und da wartete schon das Abendessen auf mich. Im Gegensatz zu meinen arktischen Expeditionen, wo ich zuerst das Zelt aufstellen, kochen und alles vorbereiten musste, war das ein totaler Luxus. Allerdings war das auch die Idee dahinter. Es sollte nicht eine Reise werden wie viele meiner anderen, die mit Entbehrungen zu tun haben und nur mit Leistung und physischem sowie psychischem Druck. Dieses Projekt sollte auch ein bisschen eine Hommage an all meine Erfahrungen sein, die ich rückblickend auf meinen anderen Touren schon gemacht hatte.
ADVANCE: Neben einem SUP kam auch ein Gleitschirm zum Einsatz. Wie oft hast du den PI 2 nutzen können, um vom Berg zu fliegen?
Ich konnte ihn viel einsetzen. Schon beim ersten Berg bei Gruyère nach der anfänglichen Flachlandpassage habe ich ihn gleich genutzt. Es waren mehr so kurze Talflüge, wo ich auf der anderen Talseite im Sektor landen konnte, zusammengepackt habe und dann wieder hoch marschiert bin. Da hatte ich am Tag schon bis zu drei, vier Mal den PI 2 im Einsatz. Allerdings habe ich auch rausgefunden, dass es mit Auspacken, Vorbereiten, Landen und dann wieder Einpacken, gar nicht unbedingt schneller ist. Aber kräftesparender. Und natürlich macht es auch mehr Spass!
ADVANCE: Was waren die Herausforderungen beim Fliegen?
Die grösste Herausforderung war eigentlich, nicht aus dem Korridor herauszufliegen! Schon beim Wandern musste ich zu Beginn sehr aufpassen, aber beim Fliegen war das noch viel anspruchsvoller.
ADVANCE: Was war Dein weitester Flug?
Der weiteste war im Engadin vom Teurihorn oberhalb von Sufers über die Roflaschlucht bis an den gegenüberliegenden Berghang. Wegen einer Konvergenz hat es super getragen. Ich hätte sogar noch weiter fliegen können, aber ich hatte die Karten nicht zur Hand und da wollte ich wegen des Korridors nichts riskieren. Die Strecke war so um die zwölf Kilometer.
Ein Land, eine gedachte Linie – 330 km, 45 000 Höhenmeter, 1 km Korridor: Das Projekt „Direttissima“ von West nach Ost durch die Schweiz entlang des 160. Breitengrads der Schweizer Landeskoordination ist nicht neu. Erstmals wurde es von einer Gruppe von Bergsteigern unter Leitung von Markus Liechti 1983 unternommen und damals medial vom Schweizer Radio begleitet.
ADVANCE: Was war für dich die grösste Überraschung auf Deiner Tour?
Eigentlich könnte man sagen, die Schweiz ist überbevölkert; überall gibt es Strassen und Zugänge. Bedingt durch den Korridor war ich gezwungenermassen dort, aber auch an ganz anderen Stellen unterwegs und überrascht, wie wenig Menschen und wie wenig Zivilisation ich teilweise angetroffen habe. Wie wild die Schweiz also trotzdem noch ist ...
ADVANCE: Du warst ja gespannt, auf dieser Wiederholungstour von 1983 zu sehen, wie sich die Schweiz über all die Jahre verändert hat. Welche Veränderungen hast du bemerkt?
Der auffälligste Unterschied ist sicherlich die Klimaerwärmung. Die Gletscher sind sehr zurück gegangen. Ich hatte auch Zugriff zu den Karten, die die Erstbegeher des Projekts vor 34 Jahren benutzt haben. An vielen Orten sind sie noch über kleine Gletscher marschiert, die es heute gar nicht mehr gibt. Und sie haben auch viel davon gesprochen, wie sie von den Gipfeln über Schneefelder abrutschen konnten. Also ich habe nicht viele Schneefelder angetroffen, auf denen ich hätte runterrutschen können!
ADVANCE: Hast du noch weitere Projekte dieses Jahr oder expeditionsmässig für 2018 schon etwas in Planung?
Es wird natürlich meine kommerziellen Reisen zum Nordpol und über Grönland geben, die ich anbiete. Aber ich habe auch ein Projekt mit Stefan Glowacz. Die Details werden wir bald bekannt geben.
ADVANCE: Da sind wir schon gespannt und wünschen euch eine gelungene Expedition! Herzlichen Dank für das Gespräch, Thomas.
Als Testpilot war Thomas Ulrich bei ADVANCE von der ersten Stunde an mit dabei. Er ist Abenteurer, Expeditionsleiter, Bergführer und Miteigentümer der Fotoagentur Visual Impact, Kameramann und Fotograf.
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