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Tanz auf dem Vulkan

Erstbefliegung in Kolumbien von über 5.000 m

Ein Vulkan mitten in Kolumbien, Alarmstufe Gelb und drei Piloten, die sich durch diese unzugängliche Gegend angezogen fühlen. Michael Witschi, Tobias Dimmler und Ivan Ripoll gelang der Flug vom Nevado del Ruiz. Doch bis zur geglückten Landung war es ein weiter weg. Und die Park Ranger durften auch nichts mitbekommen. Michael Witschi erzählt ...

Nach meinen beiden Hike & Fly-Abenteuern am Farallones de Cali und Citlatepetl 2017, bekam ich Lust auf weitere Flüge in Kolumbien. Die Auswahl an Möglichkeiten schien zunächst gross zu sein, denn es warten acht 5.000er in Kolumbien. Zudem wollten mich Tobias und Ivan begleiten. Doch so gross wie die Auswahl sind auch die Hindernisse. Stück für Stück lösen sich die Fluggebiete in Luft auf. Hier verbieten es die Ureinwohner, dort gibt es starke vulkanische Aktivität und wo beides nicht zutrifft, ist es durch die Behörden verboten. So bleibt am Ende genau eine Option: der Nevado del Ruiz mit 5.300 m. Er ist ein Vulkan und es gilt «Alarmstufe Gelb».

Es herrscht Alarmstufe Gelb

Frustriert beschliessen wir, es dennoch am Nevado des Ruiz zu versuchen. Wir buchen uns ein Hotel im Termales des Ruiz auf 3.500 m. Bald darauf ist es soweit. Ich treffe Tobi und Ivan am Flughafen La Nubia in Manizales, einem Ort genau zwischen Medellín, Bogotá und Cali gelegen. Nach einer kurzen Fahrt im Mietwagen checken wir im Hotel ein und machen uns dann auf den Weg zum Nationalpark. Dort erhalten wir von den Park Rangern Informationen zum Nationalpark, und wie wir uns darin verhalten sollen. Nur im Konvoi dürfen wir fahren, da so eine etwaige Evakuierung schneller ginge. Noch einmal wird uns bewusst, dass hier nicht «Courrant normal» angesagt ist. Der Vulkan kann jederzeit zur Gefahr werden. Wir dürfen uns zwar frei bewegen, aber nur bis auf eine Höhe von 4.000 m. Enttäuscht verlassen wir den Park.

Es erinnert an eine Mondlandschaft

Die Strasse führt im Norden über die Flanken und durch die Täler des Vulkans, die sich stark unterscheiden. Ist das erste noch üppig grün, erinnert das nächste an eine Mondlandschaft und riecht unangenehm nach Schwefel. Wir halten an und beginnen mit unseren Schirmen im Wind zu spielen. Nachdem wir ins Hotel zurückgekehrt sind, recherchieren wir, was «Alarmstufe Gelb» genau bedeutet und kommen zu dem Schluss, dass das Risiko für uns relativ gering ist. So fassen wir den Entschluss, den Nevado del Ruiz von Norden her zu besteigen. Und zwar gleich am nächsten Tag.

Die Luftdichte ist zu gering und der Wind zu stark

Um 7.30 Uhr geht es los. Wir sind besonders vorsichtig, denn wir wollen keinesfalls einem Ranger in die Arme laufen. Die Aussicht ist atemberaubend. Wir steigen bis zum ersten Schnee auf 4.950 m. Doch dann folgt die Ernüchterung. Mit unseren Leichtschirmen mit lediglich 16 m2 Fläche ist es nicht möglich, hier herunterzugleiten. Die Luftdichte ist zu gering und der Seitenwind zu stark. Also drehen wir um, und gehen zurück.  Wenig später stehen wir inmitten der Wolken. Ohne Sicht stapfen wir durch diese mondartige Wüstenlandschaft aus Lava, Staub und Sand. Gut nur, dass jeder Fussabdruck zu sehen ist und wir uns so an unseren eigenen Spuren orientieren können. Unser Fazit: Wir versuchen es morgen noch einmal. Dann aber zwei Stunden früher.

In der Ferne das Donnergrollen

Kurz nach 5 Uhr brechen wir am nächsten Tag auf. In der Ferne hören wir Donnergrollen und sehen Blitze, während über uns der Vollmond steht. Der Wind kommt heute aus Westen. Das erkennen wir an der Dampffahne des Vulkans. Wir entscheiden uns für die Nordflanke und steigen denselben Weg hoch wie gestern; nur gehen wir diesmal höher hinauf, bis an eine Eiswand des Gletschers unter dem Kraterrand. Auf 5.120 m über dem Meer packen wir unsere Schirme aus. Nun geht es an den Start: Leider hat es Abwind. Die Kombination aus geringer Luftdichte, kleinen Schirmen und Abwind ist ungünstig. Wir suchen die steilste Falllinie ohne grössere Steinblöcke. Ich habe die grösste Flächenlast und starte zuerst. Wie ein Hundertmeterläufer schiesse ich los und spüre den Schirm bald über mir. Doch es trägt nicht richtig. Irgendwann muss ich meine Beine heben, da die Geschwindigkeit zu gross wird. Ich hoffe inständig, dass meine schlechte Gleitzahl grösser ist als die Steigung des Vulkans.

Es herrscht schon Frühtermik

Sie ist es. Mit hoher Geschwindigkeit sause ich über die Bergflanke und bin bald draussen direkt in der Frühthermik. Tatsächlich gibt es bereits um 8 Uhr grosses Steigen, sodass sogar mein 16er-Schirm steigt. Hinter mir sehe ich Tobi und Ivan, die ebenfalls sicher in die Luft gekommen sind. Die Landung erfolgt auf 4000 Meter in der ersten Kuhwiese. Nach dem Durchfliegen von ein paar letzten Thermikbumps setze ich sanft auf – und kann mein Freudenschrei nicht unterdrücken. Unglaublich! Es hat geklappt! Wir sind als erste Menschen von der Nordflanke des Nevado del Ruiz geflogen; der Vulkan hat es gut mit uns gemeint und kein Ranger ist aufgetaucht. Besser geht es nicht.

Die Ausrüstung

PI 2

PI 2

Light Versatility

STRAPLESS

STRAPLESS

Das Team

Tobias Dimmler, Michael Witschi und Ivan Ripoll