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I can see France!

Das Schicksal führt 218 km durch das Englische Flachland

Manchmal geht alles nach Plan. Manchmal ist es besser, wenn ein Plan nicht aufgeht. Wären Tim Pentreaths Pläne des Vol-Biv Abenteuers in den Alpen aufgegangen, hätte er im Sommer 2022 weder 218 km mit seinem Gleitschirm im englischen Flachland zurückgelegt, noch hätte man ihn an der SÜDlichen Küste von England „I can actually see France! F*cking hell!“ rufen hören.

All der Ballast bleibt am Boden zurück

Es ist Freitag und Sommer in England. Tim kommt gerade aus der Schweiz zurück, wo er sein Vol-Biv Projekt mit seinen Freunden wegen einer Verletzung früher als geplant beenden musste. Der Blick in den Forecast tröstet, da sich perfekte Bedingungen für einen langen Flug durch das Englische Flachland abzeichnen. Einige Jahre zuvor hätte Tim jetzt diese freudige Nervosität gespürt, die Piloten vor Wettkämpfen oft haben. Wer es einmal in die nationalen Top 10 der XC-Piloten geschafft hat, will diesen Platz verteidigen. Heute fliegt der Engländer mit leichterem Gepäck. Er lässt den Ballast des Drucks am Boden zurück, sich mit jedem Flug immer weiter zu verbessern. An diesem Augusttag freut sich Tim einfach auf so viel Airtime wie möglich.

Plane den Flug und fliege den Plan… nicht

In der Luft ist Tim immer ganz bei sich. Für sich selbst verantwortlich sein, jede Entscheidung selbst treffen und alleine die Richtung bestimmen. Der Inbegriff von Freiheit und dieser wird auch heute den Tag bestimmen. Seine Freiheit teilt Tim nur mit seinen Freunden. Geplant wird gemeinsam, aber am Ende fliegt jeder für sich. Tims Credo: Planen ist gut, erleben ist besser. Am Startplatz angekommen lässt er sich von einer talentierten Ligapilotin inspirieren und schmiedet mit ihr ganz spontan neue Pläne. Das gemeinsame Ziel ist nun nicht mehr Eastbourne, sondern das 43 km weiter westlich gelegene Devil’s Dyke.

„Ein festes Ziel zu haben verleitet mich oft zur Detailplanung und ich bin weniger offen für spontane Richtungswechsel. Deshalb sind meine Ziele oft nur Ideen, die sich auch wieder ändern dürfen.“

Tim Pentreath

Im Labyrinth der Lufträume

Tim geht mit seinen Freunden im nord-östlich von Bristol gelegenen Örtchen Stroud in die Luft. Diese weite Strecke bis zum Ziel selbst ist schon ein ambitioniertes Vorhaben. Jetzt geht es etwa 160 km querfeldein durch ein unsichtbares Labyrinth aus Lufträumen. Dadurch kommt noch eine extra Prise Herausforderung durch ständig wechselnde Minimal- und Mindestflughöhen hinzu. Wo die Thermik für die Freunde an so mancher Stelle ein Segen wäre, so ist sie an anderen Stellen ein Fluch. Nach 90 Kilometern ist es thermisch so aktiv, dass die Gruppe mit steilen Spiralen gegen das starke Steigen arbeiten muss, um unter FL65 im grünen Bereich zu bleiben.

Vom Low Save in Richtung Cloudbase

Das Fliegen in diesen aktiven Bedingungen erfordert viel Erfahrung und Technik. Über Petersfield verlieren Tim und seine Freunde mit jedem Meter wertvolle Höhe. Etwa 140 m über Grund trennen sich die Wege der Freunde über einer kleinen Farm. Auch Tim ist mental schon bei der Landung, doch nach über 30 Jahren Fliegerei bringt ihn nur noch wenig aus der Ruhe. So gelingt ihm in allerletzter Sekunde der Low Save. Und was für einer: Über 1200 m dreht er auf. Hoch oben angekommen wird dem ehemaligen Ligapiloten jetzt allerdings schnell klar, dass Devil’s Dyke durch die Windbedingungen und seine Position keine Option mehr ist. Seine Vorliebe für spontane Richtungswechsel stellt Tim erneut unter Beweis und nimmt sein Ursprungsziel Eastbourne wieder ins Visier. So bahnt er sich seinen Flugweg weiter in Richtung Küste. Das Meer schon in Sichtweite.

„Das Wetter ist im vereinigten Königreich nicht immer das beste. Wir leben hier auf einer windigen Insel und freuen uns einfach sehr über gute Flugtage.“

Tim Pentreath

Wo sonst nur Möwen fliegen

Die Ankunft am Ärmelkanal beflügelt Tim nicht nur sprichwörtlich. Die Sea Breeze ist heute schwach und die Thermik erfolgversprechend. Viel zu schade, um diese hervorragenden Bedingungen nicht für einen ausgedehnten Flug entlang der Küste zu nutzen. 1500 m über dem Meer liegt das Luftraum-Labyrinth nun hinter ihm und er realisiert: Das ist jetzt einer der Momente, an die er sich immer erinnern wird. Wo er gerade fliegt, sehen die Menschen sonst nur die Möwen fliegen.

Auf zu neuen Höhen

Mittlerweile ist Tim sechs Stunden unterwegs und fliegt bereits 60 km entlang der Küstenlinie, mit dem Glitzern des blauen Meeres vor sich. Er befindet sich gerade weit über den Klippen der Seven Sisters, als er sich denkt, dass es eigentlich nicht mehr besser werden kann. Einen Moment später entdeckt er eine weisse Linie am Horizont und realisiert: „I can see France! I can actually see France!“ Ein so unwirklicher Moment, den er sich nicht hätte erträumen können. Doch das Schicksal meinte es gut mit ihm.

Wie das Schicksal so will

Sein vorzeitiges Beenden des Vol-Biv Abenteuers hat ihm diesen einzigartigen Moment beschert, der sowohl von der Schweiz als auch von Devil’s Dyke aus unmöglich gewesen wäre. Und so zeigt sich, dass das Leben manchmal die besseren Pläne schmiedet. 218 km nach seinem Start im Inland landet Tim in Eastbourne.

„Die Krankenschwester sagte ich sollte meinen Fuss stillhalten und hochlegen und welche bessere Art seinen Fuss still zu halten und hoch zu legen gibt es als einen sechs Stunden langen Flug?“

Tim Pentreath

Die Ausrüstung

OMEGA XA 4

OMEGA XA 4

LIGHTNESS 3

LIGHTNESS 3

Ready to Transit

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Der Pilot

Tim Pentreath

Tim gehört zu den besten Streckenflugpiloten Englands. Er hat vor über 30 Jahren mit dem Fliegen angefangen, ist einige Wettbewerbe mitgeflogen und war lange unter den Top 10 Englands. In den letzten Jahren hat er sich vor allem auf Vol-Biv-Abenteuer spezialisiert.

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