Immer wieder und immer wieder neu: Fred Souchons Lebensmittelpunkt ist der Mont Blanc. Als Alpinist und Bergretter kennt er das Massiv wie seine Hosentasche. Schon über 30 Mal war er auf dem höchsten Berg der Alpen. Als passionierter Gleitschirm-Pilot entdeckt er ihn immer wieder neu. Getreu dem Motto: Unlimited Fun.
Es muss nicht immer Chamonix sein: Warum nicht Mal bei 0 m ü. M. starten, um dann vom Mont-Blanc-Gipfel runterzugleiten? Also packten Fred Souchon und Tom Jeanniot ihre Vol-Biv-Ausrüstung und fuhren nach Nizza. Das Mittelmeer rauscht leise. In der Luft Salzgeschmack. Allerdings: Die Meeresluft ist zu stabil, um loszufliegen. Kurzerhand kapern die beiden Piloten zwei öffentliche Fahrräder der Stadt Nizza und sparen sich so 10 km Fussmarsch. Immerhin fliegen sie noch 30 Kilometer an diesem ersten Tag.
Wie so oft beim Biwakfliegen ist der Weg das grösste Abenteuer. Die einzelnen Flüge fallen unterschiedlich aus: vom 100-Kilometer-Flug bis zum Abgleiter. Die Verhältnisse sind wechselhaft. Mal Gewitter, mal heftiger Wind, mal zu stabile Luft. «Normalerweise mache ich meine Vol-Biv-Trips by fair means. Aber dieses Mal sind wir kurz per Anhalter gereist», kommentiert Fred. «Wir mussten uns entscheiden, entweder früher in Chamonix sein mit der Chance vom Gipfel des Mont Blanc zu starten oder alles bei fair means machen ... und dafür keinen Mont-Blanc-Gipfel.»
Am Morgen des sechsten Tages erscheint magisch der Mont Blanc am Horizont. Gegen Abend erreichen Fred und Tom Chamonix. Jetzt noch direkt aufsteigen? Die Windvorhersage ist verlockend! Nach einer kurzen Diskussion wird der Plan vernünftiger: Erst schlafen, dann nach Planpraz (2000 m ü. M.) hoch, dort starten und versuchen, so nah wie möglich an der Tête Rousse Hütte (3187 m ü. M.) zu landen. So fehlen nur noch 1622 Höhenmeter bis zum Gipfel. Für den Anstieg (auf der Normalroute) tauschen Fred und Tom ihre XC-Ausrüstung gegen PI 3 und STRAPLESS 2. Beides wurde im Vorfeld bei der Hütte deponiert. Fred: «Als wir auf dem Gipfel ankommen, weht der Wind magisch mit 5 km/h aus Süd. Wir sind überwältigt. Und während wir nach Chamonix runtergleiten, sind alle Strapazen der herausforderungsreichen Vol-Biv-Woche schon fast vergessen.»
Der Mont Blanc ist mehr als ein Berg. Erst ist ein Paradies, ein Sportplatz, ein Ideengeber, ein Magier und Verführer. Und so vergehen nach dem Sea to Summit-Trip keine drei Monate bis Fred zu seinem nächsten Mont-Blanc-Abenteuer aufbricht. Eigentlich geht es um ein Streckenflug-Projekt – aber was wäre ein Mont-Blanc-Abenteuer ohne Gipfelerlebnis? Und so bricht Fred mit seinen Freuden um 2 Uhr morgens von der Cosmiques-Hütte (3613 m ü. M.) auf. Über die steilen Flanken des Mont Blanc du Tacul geht’s zum Hauptgipfel. Der Wind am Gipfel ist einmal mehr perfekt, so dass Fred bereits um 9 Uhr wieder in Chamonix landet – gerade rechtzeitig zum zweiten Frühstück. Soweit der „kleine“ Auftakt zum Drei-Länder-Flug.
Wenige Stunden später steht Fred oben am Startplatz bei Planpraz. Dieses Mal mit seiner XC-Ausrüstung: Es gilt, in einem Tagesflug das ganze Mont-Blanc-Massiv zu umrunden. Die Strecke führt über drei Landesgrenzen, sowie über unzählige abgelegene Täler und Gletscher. Die Flugbedingungen an diesem ersten Septembertag sind vielversprechend. Die Basis steigt im Verlauf des Nachmittags bis auf über 4000 m an.
Die 67 Streckenkilometer die Fred an diesem Tag zurücklegt, sind an Erlebniswert kaum zu überbieten. Knapp vier Flugstunden voller atemberaubender Schönheit. Fred hätte noch weiterfliegen können, aber die Müdigkeit war zu gross, schliesslich hatte er ja schon die Gipfelbesteigung in den Beinen. Zudem: Die Umrundung des Mont-Blanc-Massivs war perfekt gelungen. Der Flug wird zwar nicht an der Spitze der Tagesrangliste im XContest stehen – das Erlebnis ist aber nicht zu übertreffen. Wenn man mit so einem perfekten Flugabenteuer belohnt wird, stellt man keine weiteren Ansprüche.
Die Franzosen sind Meister im Mixen verschiedener Disziplinen. Sie nennen solche kombinierte Projekte «Combos». Die Combo-Möglichkeiten sind fast unbeschränkt, ihr Erlebniswert ebenfalls. Man darf gespannt sein: Welche Idee oder welchen Traum wird Fred als nächstes verwirklichen? Eins dürfe aber jetzt schon fest stehen: Der Inspirator ist kein geringerer als der Mont Blanc.
Fred ist enthusiastischer Gleitschirmflieger, Alpinist und ausgebildeter Bergführer. Beruflich arbeitet er als Bergretter in Chamonix.
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