Mit meist nur schwachem Steigen sind die Voraussetzungen nicht die besten als Bernhard Kälin am 4. Juli von der Riederalp im Oberwallis zu seinem Flug gen Osten aufbricht. In neun Stunden und zwei Minuten fliegt der Fluglehrer von „Chill Out Paragliding“ auf der Walliser Rennstrecke über den Furkapass und Andermatt in die Surselva, dann über Chur, Klosters und die Silvretta bis nach Tirol, wo er im Inntal kurz vor Tösens landet. Nach den mühsam erkämpften 213 Kilometern ist ihm klar, dass es schwierig wird, noch nach Hause zu kommen. Er entschliesst sich, in Österreich zu übernachten und am nächsten Tag weiter zu sehen. Sein Fazit nach diesem langen Tag:
Mässiger Westwind. Zurückfliegen ist keine Option, denn Beni hasst es, gegen den Wind zu fliegen. Ausserdem ist der 31-Jährige das erste Mal in Österreich. Warum also nicht mal die Österreichischen Alpen aus der Luft erkunden? Pitztal, Ötztal, Stubai, Brenner und Zillertal: bekannte Namen, die er schon oft gehört hat. Bei seinem 233 Kilometer langem und acht Stunden dauernden Flug kann er sich endlich ein Bild zu den Namen machen. Benis Route führt ihn übers Kaunertal, Pitztal, Ötztal, Stubai, Zillertal, an der Südseite des Pinzgaus entlang und am Kitzsteinhorn vorbei. Wegen viel Seitenwind beschliesst er, nach Süden abzubiegen. Keine gute Entscheidung. Zehn Minuten später landet er 2.000 Meter tiefer im Nordföhn bei der Tauernautobahn. Nach einstündigem Trampen nimmt ihn ein österreichischer Pilot mit nach Antholz in Südtirol. Benis Résumé:
Benis heutiger Plan: vom Startplatz Grente zurück in die Schweiz fliegen. Er hat schon jeden Bahnhof in Graubünden im Kopf und weiss genau, wann von wo aus der letzte Zug nach Interlaken fährt. Im Flug kämpft Beni gegen den Wind, doch der wird stärker und stärker. Piz Palü und Piz Bernina scheinen endlos weit weg. Westlich von Meran gibt Beni das Ziel Schweiz auf. Er will den guten Tag lieber nutzen, um weit zu fliegen. Und das tut er! Mit 246 Kilometern wird es sein bisher längster Flug. Nach acht Stunden und 50 Minuten, wo er unter anderem die Riesenferer Gruppe und die Karnischen Alpen erkundet, landet er bei Givigliana, einem kleinen Nest in Friaul/Italien. Sein Kommentar:
Nach einer Nacht in Venedig fährt Beni am nächsten Tag mit dem Zug über Mailand zurück nach Interlaken. Hinter ihm liegen drei intensive Tage, an denen er mehr Zeit in der Luft als mit Schlafen verbracht hat.
Die Spontaneität und Offenheit für Neues liegt im Naturell von Beni Kälin. Der 31-Jährige Berner Oberländer ist als Basejumper, Wingsuiter, Speedflyer, Freeskyer, Kiter und Gleitschirmpilot ein talentierter Multitasker. Und das stets auf höchstem Niveau. Als Streckenflugpilot macht er immer wieder durch kreative Alpenquerungen und das Vordringen in hochalpines Gelände von sich reden. Seine Leidenschaft Gleitschirmfliegen machte er vor mehreren Jahren zu seinem Beruf. Beni ist Mitinhaber und Fluglehrer der Interlakner Gleitschirmschule Chill Out Paragliding.