«Schon lange habe ich davon geträumt, mit meinem Gleitschirm in unbekannte und weit entfernte Länder zu reisen. Unsere Wahl fiel schliesslich auf Tadschikistan. Vor allem, weil 90 Prozent des Landes aus Gebirge besteht, aber auch weil uns das Garmtal, das sich von Osten nach Westen durchs ganze Land zieht, grosses Flugpotenzial verhiess.
Zusammen mit meinem Partner Alain machten wir uns an die Planung. Während Alain recht spontan ins Abenteuer aufbrach, hatte ich mich über ein Jahr lang mit Land und Leuten beschäftigt. Ausserdem wollte ich sicher gehen, dass wir uns auf unserem Trip nicht nur von Schaffleisch und fermentierter Pferdemilch ernähren müssten.
Trekkingnahrung für zwei Wochen, Kleider, Wanderstöcke, Solarpanele, Kameras, Telefone, Ladegeräte, Batterien, allerlei Kabel und natürlich unsere neuen OMEGA XALPS 2: Insgesamt kamen wir auf rund 26 Kilogramm Gepäck pro Person.
Schnell wurde uns klar, dass dieser Trip so schwer bepackt kein Zuckerschlecken werden würde. Allein um ins Gurtzeug zu kommen, mussten wir uns auf alle Viere legen und uns dann auf die Beine hochstemmen. Eine kraftraubende Angelegenheit.
Einmal in der Luft, zahlte sich die Schufterei aber aus. Es ist unglaublich, wie ein guter Flug die Perspektive verändern kann. Schnell brachte uns unsere erste Thermik in Tadschikistan auf 3.500 Meter und wir mussten uns entscheiden: Sollten wir den direkten Weg versuchen, über die schroffen Pässe ins Garmtal? Oder doch die sichere Variante von Süden her, über sanfte Hügel?
Ich ging voraus und entschied mich für die sichere Route, was Alain nicht gerade eben glücklich machte und was uns – wie wir im Nachhinein erfuhren – zwei potenzielle Flugtage kostete. Trotzdem. Alain und ich hatten abgemacht auf der ganzen Reise zusammenzubleiben, wir flogen also Richtung Hügel.
Tadschikistan hielt mehrere Überraschungen für uns bereit. Nicht selten entpuppte sich, was nach einem lockeren Zweistunden-Hike aussah, dank tiefer Couloirs und ausgedehnter Hügelzüge als mühselige Ganztagesmission. Und die Thermik war trotz kreisender Vögel über unseren Köpfen oft zu schwach, um darin zuverlässig zu steigen. Landungen im Tal kamen deshalb öfter vor, als wir uns das erhofft hatten.
Auch die lokale Meteorologie bereitete uns Kopfzerbrechen. Statt, dass sich beispielsweise an der Südflanke vor unserem Startplatz Thermik ablöste, standen direkt über uns mickrige Rotorwolken, während auf der anderen Seite des Tals über den Nordhängen schöne Cumuli hingen. Ganz verstanden haben wir dieses Wetterphänomen bis zum Schluss unserer Reise nicht.
Neben diesen negativen, gab es aber auch positive Überraschungen. Als wir zwei Tage nach unserem ersten grossen Flug endlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort starteten, konnten wir gleich im ersten Schlauch auf 4.200 Meter aufdrehen und Richtung Osten immer dem Garmtal entlang fliegen. Dabei hatten wir unglaublich ruhige Thermik: Ich war überrascht, dass mein Vario sechs oder sieben Meter Steigen anzeigte. So hätte es weitergehen dürfen.
Stattdessen wachten wir tags darauf mitten in einem Sturmsystem auf, das uns fast eine Woche in unserem Biwak am nächsten Startplatz blockierte. Das war unserer Moral nicht gerade zuträglich, doch wir harrten aus. Und tatsächlich, an dem Tag, an dem wir hätten absteigen müssen, weil der Proviant ausging, wechselte das Wetter endlich.
Wir würden trotzdem nicht so weit kommen, wie wir uns das ursprünglich ausgerechnet hatten, das war klar. Für einen beherzten Flug ins Pamir-Gebirge fehlte uns nach unserem tagelangen Schlechtwetterbiwak die Zeit, aber schlussendlich auch die Kraft und der Mut: Wer dort fliegen will, muss morgens starten und bis zur Dämmerung in der Luft bleiben. Dazwischen ist der Wind zu stark zum Landen.
Trotz – und wegen – aller Überraschungen, die Tadschikistan für uns bereit hielt, werden wir wieder kommen. Zu schön ist die Gastfreundschaft und Offenheit der Menschen, zu traumhaft die Landschaft. Und das Fliegen, wenn es denn geht ...»
Christina Kolb ist in der Gleitschirmszene vor allem als Akro-Weltmeisterin 2016 bekannt. Sie ist Fluglehrerin, Tandempilotin und eine der wenigen Athletinnen, die den Infinity Tumble in ihrem Repertoire haben. Als Reise-Aficionada ist sie immer mit ihrem Gleitschirm unterwegs und plant bereits ihr nächstes Abenteuer.
Alain Lehoux fliegt seit 1995 Gleitschirm. Der passionierte Akropilot ist ausserdem seit 2000 Inhaber der Gleitschirmschule „Gypaètes“. Als Fluglehrer organisiert er Flugreisen und veranstaltet Sicherheitstrainings sowie Anfängerkurse. Privat unternimmt er gerne Streckenflüge oder bricht zu VolBiv-Abenteuern auf.