Am Rekordtag will Lukasz zuerst gar nicht fliegen gehen. Es sind Cirren gemeldet, die von Deutschland her über die geplante Strecke ziehen sollen. Nicht ideal. Und seine beiden Söhne sehen es sowieso nicht so gern, wenn ihr Vater wieder einmal für zwei Tage weg ist, um auf Strecke zu gehen. “Am Schluss hat meine Frau Aneta den Ausschlag gegeben”, erzählt er. “Geh fliegen, Lukasz!”, habe sie zu ihm gesagt. Aneta scheint ein Gespür für Rekordtage zu haben.
Weil Lukasz trotz seiner Passion fürs Fliegen so viel Zeit wie möglich mit seiner Familie verbringen will, behält er während der Saison die Wetterlage ständig im Auge. So kann er die sehr guten von potenziellen Hammertagen unterscheiden und geht nur dann fliegen, wenn es sich wirklich lohnt. Am 18. Juli wittert er einen Hammertag, mit einem Haken: Es soll eine relativ hohe Basis geben und zügige, aber nicht zu starke Winde, die das schnelle Fliegen im Flachland erst möglich machen. Und als Bonus sind auch die in Polen notorisch engen Lufträume mehrheitlich frei. Nur die vorhergesagten Zirren lassen Lukasz zweifeln. Anetas Zuversicht ist ansteckend. Er reist nach Pila, wo er um 2 Uhr morgens ankommt. Nach ein paar Stunden Schlaf bei seinem Windenfahrer und Freund Bogdan sichtet er um 8 Uhr die ersten Cumuli. Mit den Rekordjägern Mateusz Siatka und Robert Niziolek geht es zum Flugplatz ganz in der Nähe. Kurz nach 9 Uhr klinkt sich Lukasz aus der Winde aus und beginnt seine Kilometerjagd.
Zügig geht es mit Rückenwind Richtung Osten. Auf den ersten 130 Kilometern steigt es fast zu gut, erinnert sich Lukasz: “Zuerst durfte ich wegen einer Luftraumbeschränkung um den Flughafen von Bydgoszcz nicht höher als 5500 Fuss oder rund 1670 Meter steigen.” Nicht einfacher wird es, als bei Vistula die prognostizierte Schichtbewölkung aufzieht. Lukasz sinkt immer tiefer, sucht und findet 200 Meter über Grund die rettende Thermik. Dann geht es wieder hoch. Oft fliegt Lukasz voll beschleunigt an der Wolkenbasis mit reduziertem Eigensinken und 30 km/h Rückenwind. So geht es rasant vorwärts. Nach 170 Kilometern verdichten sich die Wolken erneut. Lukasz steht schon mit einem Bein am Boden. 90 Meter trennen ihn von der Landung. Eine letzte Waldkante, die er probieret. Und tatsächlich geht es wieder hoch. “Ich glaube, in diesem Moment hat Aneta ganz fest für mich gebetet”, erklärt sich Lukasz seinen wunderbaren Low Save.
Neun Stunden und 20 Minuten nachdem er auf dem Flugfeld bei Pila gestartet ist, hat Lukasz wieder Boden unter den Füssen. Der Luftraum vor der Grenze mit Weissrussland zwingt ihn zum Landen. 438 Kilometer freie Strecke stehen auf der Uhr. Als Aneta mit den beiden Söhnen eine halbe Stunde später eintrifft ist er überglücklich. Für ihn kommt alles zusammen: Europarekord auf einem C-Schirm, Polnischer Landesrekord, der erster 400er, seine Familie kommt ihn zum ersten Mal abholen. “Eigentlich gehört der Rekordflug ihnen”, findet Lukasz, “ohne ihre Unterstützung könnte ich keine Rekorde fliegen.” Noch während er mit Familie und Freunden seinen jüngsten Rekord feiert – sogar einen mit 438 verzierten Kuchen gibt es – denkt Lukasz an sein nächstes Ziel: Noch gestern hat sich ein 400er wie ein Traum angefühlt, eine unmögliche Herausforderung. Heute ist Lukasz überzeugt: “500 Kilometer in Polen? Das geht!”
Lukasz hat in den letzten Jahren immer wieder spektakuläre XC-Rekorde im polnischen Flachland aufgestellt. Sein größtes Ziel hat er erreicht, als er im Sommer 2023 in Polen die 400-Kilometer-Marke knackte.
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