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XC Adventure Brazil

Auch für Profis ein echtes Abenteuer

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Möglichst weit zu fliegen ist der Urtraum vieler Gleitschirmpiloten. Im Herbst lädt der Nordosten Brasiliens Streckenflugcracks geradezu dazu ein. Chrigel Maurer, ADVANCE Testpilot Patrick von Känel und vier weitere Schweizer Gleitschirmcracks brachen im vergangenen Oktober als Team nach Ceará auf und haben dort ein Streckenflugabenteuer der etwas anderen Art in Angriff genommen. Zurückgekehrt sind sie nicht nur mit einem vollen Kilometerzähler, sondern vor allem auch mit prägenden Erlebnissen und vielen neuen Erfahrungen.

Neues Terrain, neue Herausforderungen

Die beiden bekannten brasilianischen Streckenflug-Hotspots und Weltrekordgebiete Quixadá und Tacima haben ihre Tücken. Im einen ist es anspruchsvoll zu starten, beim anderen muss mit wenig Höhendifferenz unwegsames Gelände überflogen werden. Der Flugreiseveranstalter und Brasilien-Spezialist Andy Flühler hatte deshalb schon lange nach einem neuen Ausgangspunkt für weite Flüge Ausschau gehalten. Als er auf dem Provinzflugplatz von Caico endlich fündig wurde, standen zuerst zähe Verhandlungen mit Behörden an. Erst dann konnten die ersten Gleitschirme an der Winde in den Himmel gezogen und ein lang gehegtes Projekt in Angriff genommen werden: Mit der Unterstützung von Andys Team solle eine Gruppe hochkarätiger Mitglieder der Schweizer XC Liga versuchen, die bisherige Bestmarke von 564 km zu überbieten.

„Wir sind auf einem kleinen Flugplatz gestartet, wo vorher noch nie ein Gleitschirm in die Luft gekommen war. Das zu organisieren war nicht ganz einfach.“

Patrick von Känel

Am Morgen geht es bereits um 6.30 Uhr los. Bei den 30 km/h Wind ist ein Cobrastart unerlässlich. Nach dem Ausdrehen folgt ein leichter Zug am Seil, die Fahrzeuge fahren langsam los, um dann immer schneller über die 1000 m lange Piste zu donnern. Die beiden mitgebrachten Hochgeschwindigkeitswinden sind effizient. Pro Run werden zwei Gleitschirme parallel geschleppt. Nach dem Klinken 950 m über Grund gleiten die Schleppseile am Bremsschirm langsam Richtung Boden. Noch bevor sie ihn berühren, sind sie schon wieder eingerollt. Die Handgriffe bei Windenfahrer und Helfer sitzen. Sieben Minuten nach dem Start stehen die Pickups wieder am Pistenanfang. Die beiden nächsten Piloten heben den Daumen zum Start.

Schon nach den ersten Flügen sind sich die Schweizer Piloten bewusst, dass Streckenfliegen im Brasilianischen Flachland ganz andere Fähigkeiten fordert als in den Alpen. Angefangen bei der Orientierung und der unendlichen Weite, dem starken Wind, den launischen Urubu-Geiern und und und ... „Ohne GPS hätten wir keine Ahnung gehabt, in welche Richtung wir fliegen sollen,“ erzählt Patrick.

Dem Feuerball entgegen

Wenngleich die Orientierung tagsüber auch schwierig ist, am Abend ändert sich alles zum Guten. Dann zählt nur noch eins, nämlich gerade der Sonne entgegen zu fliegen bis sie um 17.50 Uhr hinter dem Horizont verschwindet. Wenn es dann soweit ist, hat man noch genau eine Viertelstunde Zeit, möglichst weit auszugleiten, einen Landeplatz zu bestimmen, irgendwo in der Pampa aufzusetzen und in den letzten Minuten, während es noch hell ist, den Schirm zu packen. Um 18.05 Uhr ist es dann stockfinster. Nur so kann der ganze Tag bis zur letzten Minute ausgeschöpft werden. Nur so besteht die Chance, noch weiter als alle anderen je zu vor zu fliegen.

„Die Sonnenuntergänge waren für mich das eindrücklichste und prägendste Erlebnis. Der Boden heizt sich derart auf, dass die Thermik bis Sonnentuntergang anhält. Von 2500 m Höhe mit Blick in die Sonne auszugleiten, während die Landschaft unten schon lange im Schatten ist und es finster wird, ist einfach unbeschreiblich.“

Chrigel Maurer

Was am meisten zum Streckenflugabenteuer in Brasilien beiträgt, ist die Abgelegenheit dieser Gegend und die Einfachheit, die dort noch herrscht. Die Leute sind extrem freundlich und strahlen eine grosse Lebensfreude aus, obwohl sie fast nichts haben und in sehr einfachen Verhältnissen auf dem Land leben. Nach der Landung in der Pampa besteht bis auf den Tracker meist keinerlei Verbindung mit dem Team und man ist auf sich alleine gestellt. Oft ist dann zuerst ein bisschen Wandern angesagt, bis man irgendwo ein Haus oder eine Siedlung erreicht. Mit einem freundlichen „Bom Dia“ findet man fast immer den Draht zur einheimischen Bevölkerung. Die Kommunikation erfolgt primär über Gesten über Gestikulieren mit Händen und Füssen. Mit einem Moped bringen die hilfsbereiten Brasilianer einen dann gerne über die staubige Piste zur nächsten asphaltierten Strasse, wo später der Rückholer eintreffen wird.

„Für mich eines der eindrücklichsten Erlebnisse überhaupt.“

Patrick von Känel

Erlkönige im Scheinwerferlicht

Die aufmerksamen Social Media Follower von Chrigel Maurer haben die ADVANCE-Erlkönige bereits auf den Bildern und Filmen erkannt. Ja, es wurde ein neues IMPRESS 4 mit Bürzel getestet, und ja, es hat ein Sitzbrett. Wer sonst anderes als Chrigel Maurer, der Vater der Impress-Serie, der zugänglichen Liegegurtzeuge für jedermann, wäre dazu besser geeignet, auf bis zu 11-stündigen Flügen dieses neue Gurtzeug auf Herz und Nieren zu testen und zu beurteilen? Bei den ADVANCE-Schirmen hingegen gestaltete sich die Geschichte etwas schwieriger. Der Zweileiner-Streckenflug-Proto, der für Chrigel bestimmt gewesen war, verstellte sich nach ein paar Tagen derart, dass nicht mehr befriedigend geflogen werden konnte. Gleitschirmprofis und Testpiloten sind gewohnt, in nächtlichen Trim- und Arbeitseinsätzen an den Schirmen zu arbeiten und diese neu einzustellen. Doch die Mittel waren vor Ort dann doch zu beschränkt, so dass Chrigel wieder auf seinen Boomerang umsatteln musste und nur noch sporadisch gegen Patricks OMEGA-Proto tauschte. Patrick konnte mit der neuen Wunderwaffe hingegen über 50 Flugstunden abspulen und schon aus Brasilien erste Feedbacks an die Entwicklungsabteilung in Thun durchgeben.

Gemeinsam stark

„Wir sind dieses Abenteuer als Team angegangen und konnten so gemeinsam viel mehr erreichen, als wenn wir das alleine gemacht hätten“, resümiert Chrigel Maurer. „Obwohl es aufgrund des zu schwachen Windes nur mässige Tage waren, konnten vier Piloten aus unserer Gruppe Flüge über 500 km realisieren, was vorher erst fünf anderen Piloten überhaupt gelungen ist.“ Nach dem Start im Zweierteam hätten sie konsequent versucht, den ganzen Flug gemeinsam zu bestreiten und so die besten Linien einfacher zu finden. Das Team habe nicht nur in der Luft gespielt, sondern auch am Boden. „Ohne den perfekt organisierten Rückholdienst hätten wir in den zwei Wochen vor Ort niemals diese Ausbeute gehabt“, sagt Chrigel. Und selbst mit diesem sei es meistens nicht möglich gewesen, jeden Tag zu starten, weil das Zurückkommen meistens länger gedauert habe als der Flug.

Für den Weltrekord hat es letztendlich nicht ganz gereicht, für unzählige persönliche Erfahrungen und prägende Erlebnisse aber schon. Chrigel ist sich sicher: „Wir werden es nächstes Jahr wieder versuchen, denn Streckenfliegen in den abgelegenen Weiten im Nordosten Brasiliens gehört noch zu den echten Abenteuern.“

„Spannend war es zu sehen, dass wir als Team viel stärker waren, als wenn jeder als Einzelkämpfer unterwegs gewesen wäre.“

Chrigel Maurer

Das Team

Adrian Seitz, Michael Sigel, Jan Sterren, Leandro Padua (Brasilianischer Teampilot), Dio (Fahrer), Zoio (Fahrer), Patrick von Känel, Vagner Campos (Brasilianischer Teampilot), Christian Erne, Gebi Abächerli, Simone (Organisation-Helferin), Wagner (Fahrer), Chrigel Maurer